05 April 2014

Die ersten zwei Shows waren gut. Wir hatten viel Spaß und steckten einigen Applaus der Zuschauer mit lauten Jubelrufen ein. Zur Abendvorstellung wurden dreihundert Eintrittskarten verkauft, die Spannung stieg. Voller Hektik und Aufregung begaben wir uns gemeinsam mit der Klassenleitung hinter die Laufstegwand und in den Raum, in dem eine unfassbare Hitze durch die Menschenmasse und Scheinwerfer herrschte. Das komplette Licht erlöschte, die Musik der vorherigen Gruppe wurde leiser, bis sie vollkommen verstummte. Nach ca. sieben Minuten war es vorbei, unsere letzte und vermutlich schönste Vorführung des gesamten Tages. All die Anspannung fiel plötzlich von uns ab. Das gesamte Schuljahr haben wir auf diesen einen Tag, den Tag, hingearbeitet. Der übergroße Stress lag hinter uns. Ein zu überwältigendes Gefühl überkam mich, dass ich mich mit ein paar anderen Leuten vor die Türe stellte, um eine zu rauchen, während wir noch immer unsere Outfits anhatten, da wir noch einmal gemeinsam zum Finale über die Bühne laufen mussten. Ein allerletztes Mal. Dazu kam es nicht. Ich saß direkt neben dem Fenster, mir war heiß und kalt zugleich. Meine Mitschüler versuchten mich zu beruhigen, strichen mir über den Rücken. Ich konnte meinen Kopf kaum oben halten, stützte ihn mit meiner Hand ab und hörte nach einigen Sekunden neben mir die Stimme einer Frau und eines einundzwanzigjährigen Jungens. Sie nahmen mich an den Armen und halfen mir in das Sanitätszimmer zu laufen. Ich legte mich auf die kleine, weiße Liege die links neben der Tür stand und schloss meine Augen. Konnte meinen Atem kaum kontrollieren und spürte, wie meine Hände anfingen zu kribbeln. Sie brachten mir ein Glas Wasser, fragten mich minütlich, ob ich den Tag über genug gegessen und getrunken hatte. Immer wieder antwortete ich mit einem: "Ja.", während eine Freundin neben mir auf dem Stuhl saß und meine Hand hielt. Die Zeit schritt voran, ich konnte den Applaus der letzten Auftritte nach unserem hören. Die Fingerspitzen der Sanitäterin strichen über meinen linken, vernarbten Arm. Nach einigen Minuten, vielleicht aber auch nach einer halben Stunde, besprachen sich die Personen, die sich um mich kümmerten. 'Wir werden einen Krankenwagen rufen. Die Ärzte im Krankenhaus sind Fachleute. Sie können dir sagen, was mit dir nicht stimmt.' - 'Nein.' - 'November, du kannst dich nicht einmal hinsetzen. Sobald du es versuchst, wird dir schwindelig.'. Mein Körper fing an zu zittern, meine Atemzüge wurden kürzer und lauter. Ich hatte Angst, es drehte sich alles. Nach ein paar weiteren Minuten, trafen zwei Rettungskräfte ein. Sie legten mir Kabel an, haben meinen Blutdruck und den Puls gemessen. Sie sagten, sie müssen mich mitnehmen und in die nächste Klinik bringen. Sie alle redeten auf mich ein. Es fühlte sich an, als sei ich der einzige Mensch gewesen, der wusste was passiert, würden sie mich auf der Liege aus der Schule fahren. Niemand hörte auf meine Worte, die mir schwer fielen auszusprechen. Sie fuhren mich in den folgenden Minuten aus dem Hintereingang im Lehrerzimmer in Richtung Vorderausgang und auf die Straße, wo der Rettungswagen hielt. Menschenmengen in meinen Augen, sie sahen mich an. Sie blickten kein einziges Mal weg, starrten in mein leeres Gesicht. Mein Herz schlug schneller, das Gefühl zu ersticken überkam mich und ich fing an nach Luft zu schnappen. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, drückte den schwarzen Schal meiner Freundin fest in das Gesicht, um mich zu verstecken. Ein 'Alles Gute!' entgegnete mir von der Schulsanitäterin und ich hörte den lauten Knall der Rettungswagentür, die mich endlich von den entsetzten Gesichertern der Geisterähnlichen Menschen trennte.